Planung und Bau der neuen Kirche
Die Lüchtringer Kirche war bis auf die Grundmauern abgebrannt. Der große Verlust führte unter den Gemeindemitgliedern und den Verantwortlichen der Kirche zur Sorge und Ratlosigkeit. Wie sollte es nun weitergehen? Welche Lösung konnte vorübergehend und letztlich auf Dauer geschaffen werden? Diese Fragen stellte man sich jetzt.
So suchte man zunächst eine Gelegenheit, um die hl. Messen feiern zu können. Bis zum Sonntag, dem Vitusfest in Corvey, wurde daraufhin im nördlichen Seitenschiff ein Altar notdürftig aufgebaut. Dort konnten die hl. Messen zelebriert werden, während die Kirchenbesucher sich in beiden Seitenschiffen befanden. Doch dieses zeichnete sich nicht als sinnvolle Lösung ab, da das Wetter des Sommers häufig schlecht war und der Wind zu schaffen machte.
Daraufhin wurde ein Notaltar an der Stelle des alten Hochaltars errichtet und mit einem Notdach versehen, so dass auch das Mittelschiff bei guter Witterung benutzt werden konnte. Dennoch war dies keine Lösung auf Dauer. Es musste eine für die Kirchenbesucher ausreichende Notkirche geschaffen werden. Letztlich entschied man sich, das hl. Messopfer im angemieteten Saale Clemens Schlüter, An der Fähre, zu feiern.
Alles gut, aber nur eine neue Kirche könne die wünschenswerte Lösung auf Dauer schaffen. Das entsprach dem Wunsch und den Vorstellungen der Pfarrgemeinde. Nur wie sollte das geschafft werden, da die Errichtung einer Kirche hohe Kosten verursacht und die finanziert werden müssen. Die Kirche in der alten Form wieder aufzubauen, aber ohne Turm und ohne Glocken und vorübergehend mit einem Wellblechdach zu versehen, fand keine entsprechende Resonanz.
Der Baumeister Harten aus Düsseldorf, ein Lüchtringer Kind, erstellte kostenlos die erforderlichen Bauzeichnungen. Nach diesem Plan sollten die vom Brand verschonten Teile stehen bleiben und Strebepfeiler für das Gewölbe angebracht werden. Die Kirche sollte dann im gotischen Stil erbaut werden. Der Vorbau des Turmes wurde nach Westen hin geplant. Ein gebildetes Komitee sollte weitere Ausarbeitungen vornehmen. Nur wie sollten die Kosten für dieses Vorhaben von 76.000 Mark aufgebracht werden.
Insgesamt hat der Bauplan die Zustimmung gefunden. Auch die bischöflichen Behörden in Paderborn haben hierzu die Genehmigung erteilt. In einer Sitzung der politischen Gemeindevertreter am 14.10.1901 erfolgte unerwartet die Ablehnung des Kirchenbaus. Offensichtlich wollte sich die politische Gemeinde nicht weiter verschulden, weil sie bei der Finanzierung mit beteiligt werden sollte.
Die politische Gemeinde war aber damals auf Grund der Observanz (Gewohnheitsrecht örtlicher Bedeutung) dazu verpflichtet. Wegen des dadurch eingetretenen Unmuts und Unverständnis geschah nun eine Weile nichts. Darüber hinaus wurde in der baupolizeilichen Genehmigung als Auflage gemacht, bei der Ausführung des Gewölbes die Umfassungsmauern nicht als Stützmauern zu benutzen.
In der Sitzung am 06. Mai 1902 haben sich die politischen Gemeindevertreter auf Drängen der Kirchengemeinde letztlich für einen völligen Neubau ausgesprochen. Auch die bischöflichen Behörden gaben hierzu ihre Zustimmung, und zwar am 21. Mai 1902.
Die neue Kirche konnte somit größer gebaut werden. Es ging voran! Den Zuschlag für den Neubau erhielt auf Grund des günstigsten Angebotes der Baumeister Köthenbürger aus Paderborn. Die Kosten betrugen 67.000 Mark. Bauleiter war der Architekt Stiller aus Höxter.
Mit dem Abbruch der alten in Richtung Osten gelegenen Kirche wurde am 18. Juni 1902 begonnen. Durch die um 127 qm größere neue Kirche und das Gewölbe musste eine andere Lage, und zwar in Richtung von Nord nach West gewählt werden. Die Bauarbeiten gingen nun zügig voran. Am 24. August 1902 (Sonntag), am Namenstag des hl. Bartholomäus, wurde der Grundstein in feierlicher Weise gelegt. Durch den Landdechant Menne aus Fürstenau wurde die Benediktion hierzu gehalten. Die Urkunde, welche in einer versiegelten Flasche in den Grundstein eingefügt wurde und sich hinter dem Hochaltar in der Außenmauer befindet, hat folgenden Wortlaut in lateinischer Schrift; hier ins Deutsche übersetzt:
“Im Namen der Allerheiligsten und Unteilbaren Dreifaltigkeit! Im Jahre 1902, am Feste des hl. Apostels Bartholomäus, den 14. Sonntag nach Pfingsten, unter Papst Leo XII, glänzend durch Tugend, Weisheit und Ansehen, unter Wilhelm II, dem Kaiser der Deutschen und erlauchten König von Preußen, unter den Hochwürdigen Bischof Dr. Schneider, unter dem derzeitigen Pfarrer der Gemeinde Franz Bartholomäus, unter dem Architekten Stiller aus Höxter und dem Bauunternehmer Köthenbürger aus Paderborn ist dieser Grundstein nach vollzogener Weise durch den Hochwürdigen Landdechant Menne aus Fürstenau gesetzt worden. Diese Kirche wird anstelle der Kirche, die vom Corveyer Abt Florenz und dem Pfarrer Columbanus Fugger gebaut und infolge Blitzschlag am Tage des hl. Antonius vergangenen Jahres zerstört wurde, zu Ehre der seligen Jungfrau Maria und des Kirchenpatrons, Johannes dem Täufer, errichtet. Möge Gott der Allmächtige dieses Werk segnen und es zum glücklichen Ende führen und in seinen immerwährenden Schutz nehmen”.
Die hl. Messe wurde nachmittags um fünf Uhr gefeiert, damit auch die Gäste der Nachbargemeinden Gelegenheiten hatten zu kommen.
Den ganzen August war es regnerisch. So war es auch am Tag der Grundsteinlegung, wenngleich der liebe Herrgott mit der Gemeinde ein Einsehen hatte und es doch kurz nach dem Auszug aus der Notkirche aufgehört hatte zu regnen. Die Teilnahme war rege und es versammelten sich somit viele Leute.
Die Bauarbeiten gingen überraschend zügig weiter voran. Durch den nahezu frostfreien Winter konnte die ganze Zeit hindurch gearbeitet werden. Lediglich vierzehn Tage musste wegen der Kälte ausgesetzt werden. Dadurch war es möglich, das Dach schon im Februar 1903 zu richten und zu decken. Der Turm wurde erst im Mai 1903 gerichtet und gedeckt. Den Kirchturm lieferte der hiesige Tischler Koch für 410 Mark. Der notwendige Beschlag wie Schloss, Bänder usw. kosteten nochmals 629 Mark und 50 Pfennige und wurde durch die Schlosserei Strato aus Steinheim geliefert.
In der Zwischenzeit hatte Pfarrer Batholomäus Verhandlungen eingeleitet, um die Glocken für die Pfarrkirche rechtzeitig zu bekommen und der Firma Pesit und Edelbrock in Genscher den Auftrag für vier Glocken aus Bronze zu einem Preis von 3.200 Mark erteilt. Das Gewicht der Glocken: Fis = 701 kg; A = 410 kg; H = 278 kg und Fis Oktav = 74 kg.
Der Jubel der Gemeinde war groß, als die Glocken vom Bahnhof in Höxter abgeholt wurden. Man hat sie durch das ganze Dorf gefahren und mit der kleinen Glocke, die provisorisch auf dem Wagen aufgehängt war, geläutet.
Die Glockenweihe fand nachmittags auf Christi Himmelfahrt in der Notkirche statt. Danach zog man in einer Prozession zu dem Vorplatz des Pastorats, auf welchem die Glocken geschmückt aufgehängt wurden. Dort wurde eine kleine angebracht, welche zu den Gottesdiensten, Angelus usw. geläutet wurde. Die neuen Kirchenglocken erhielten folgende Namen: St. Johannes Baptist, St. Maria, St. Josef und St. Vitus. Die Gemeinde war auf diese vier schönen Glocken sehr stolz.
Die Schule, Anwohner an der Fähre usw. hatten großes Interesse, auch aus ihrer Perspektive die Turmuhr zu sehen, um die Uhrzeit lesen zu können. Damit nun von allen Seiten die Uhr zu sehen war, wurde eine Turmuhr mit vier Ziffernblätter zum Preis von 1.300 Mark angeschafft. Aus diesem Grund wurde von der politischen Gemeinde ein Zuschuss von 293 Mark gegeben.
Die Turmuhr wurde von Firma B. Vortmann, Recklinghausen geliefert und am 12.09.1903 einen Tag nach der Einweihung angebracht. Durch die Glocken und das Schlagen der Uhr ist wieder Leben in die Gemeine gekommen, die über zwei Jahre darauf verzichten musste.
Nach Maria Geburt, am 13. September 1903, sollte die Benediktion der neuen Kirche erfolgen. Bei der Vergabe der Aufträge wurde dieser Termin zur Bedingung gemacht. Der Zeitpunkt “Maria Geburt” wurde gewählt, weil an diesem Tag bzw. am Wochenende danach stets viele Maurer aus der Fremde kamen. Somit konnten auch die Auswärtsarbeitenden an den Feierlichkeiten teilnehmen.
Im Großen und Ganzen war zu diesem Termin alles fertig. Nur die Fenster waren erst zum Teil eingesetzt. Auch die Inneneinrichtung war weitgehend komplett. Es wurden u. a. der Hochaltar von Bildhauer Franz Dahme in Warburg für 4.150 Mark; der Holzfußboden; für das Mittelschiff 36 Bänke je 4,15 Meter Länge und für die Seitenschiffe 30 Bänke je 3 Meter Länge mit Gesamtkosten von 3.869 Mark angeschafft. Die Beichtstühle erhielt die Kirche aber erst Ostern 1904.
An Geschenken sind zu erwähnen:
- Der Altar der immerwährenden Hilfe mit dem wundertätigen, vom Hl. Vater, Pius X, gesegnetem Bilde vom Bauunternehmer Ernst Niebur aus Bochum
- Die Pieta von den Eheleuten Heinrich und Auguste Trowe
- Die drei Chorfenster von den Eheleuten Clemens und Berta Schlüter
- Die acht Kirchenfenster von Lehrer Anton Köther, Pastor Krekeler aus Dalhausen, Witwe Carl Barholomäus, Hermann Bartholomäus und die hiesige Männersodalität
- Die ewige Lampe von Lehrer Bonhagen
- Sechs kleine silberne Altarleuchter von Clemens Schlüter
Auch nach problemvoller Planung und verschiedener Umstände hat die Kirchengemeinde wieder ein Gotteshaus errichten können. Geschaffen in der kurzen Zeit und unter finanziellen Schwierigkeiten durch die Initiative, durch Mut und den Glauben der Lüchtringer. Ein Gotteshaus, das auch den räumlichen Bedürfnissen entsprach.
Quelle: 100 Jahre Pfarrkirche 1903 – 2003